„Wirtschaft und Wissenschaft im Diskurs. Eine Fallstudie aus der Perspektive der angewandten Linguistik.“
In: Jasiulewicz; Garbe; Westphal: Wissenschaft und Wirtschaft im Diskurs. Die Zukunft regenerativer Energien, Koszalin-Torgelow, 177-188.
Wenn Politiker über verlorene Wahlen klagen, dann hört man in der Regel im Politikerjargon die Entschuldigung: „Es ist uns nicht gelungen, dem Wähler unsere Ziele `rüberzubringen!“ Verlorene Wahlen werden so schlichtweg zu einem Kommunikationsproblem. Unternehmer und auch Wissenschaftler stehen anders in der Pflicht. Sie können sich für falsche Entscheidungen und Ergebnislosigkeit nicht einfach entschuldigen, ohne nicht auch die „Zeche“ für ihre Fehlleistungen zu bezahlen. Insbesondere Unternehmer stehen in einer kompromisslosen Verantwortung, in einem harten Wettbewerb mit der Konkurrenz. Dies gilt auch für den Wissenschaftler, ob an der Hochschule oder in der außeruniversitären Forschung. Im Zeitalter der wissensbasierten Ökonomie müssen beide Seiten, Wissenschaftler und Unternehmer, miteinander ins Gespräch kommen. Vertraut man den Prognosen, dann müsste der Tauschwert von Wissen schon jetzt steigen.
Klar ist: Der wirtschaftsnahe Wissenstransfer wird an Bedeutung gewinnen. Dafür gibt es eindeutige Indikatoren. Jedes Unternehmen wird täglich durch eine Unmenge von Informationen überflutet.
Informationen für sich ergeben noch kein Wissen, das in einem Unternehmen genutzt werden kann (vgl. dazu unten). So universell das Internet als Informationsspeicher auch ist, es hat einen gravierenden Nachteil - es kann nicht auf die individuellen Wissensbedürfnisse des Unternehmens eingehen.
Um Zeit zu sparen, wird es immer effektiver sein, Wissen und Wissenstransferprozesse genau auf die Bedingungen des jeweiligen Unternehmens abzustimmen. Dies bedarf entsprechender Fachleute, die als Mittler zwischen Unternehmen und Wissenschaft fungieren. Sie müssen die Didaktik der Wissenskommunikation beherrschen und die Rezeptionsbedingungen eines modernen Betriebes exakt modellieren können. Ein Faktor, der in diesem Zusammenhang oft zu wenig berücksichtigt wird, ist die kommunikative Situation.
Für das Auffinden von innovativen Lösungen sind der persönliche Kontakt, der direkte Diskurs, das Gespräch und die Diskussion zwischen Wissenschaftlern und Unternehmern von besonderer Relevanz. Innovationen sind Qualitätssprünge in der Entwicklung von Problemlösungen. Derartige Qualitätssprünge können ihren Niederschlag in völlig neuen Produkten oder Dienstleistungen finden. Es lohnt sich deshalb über Kommunikationsformen nachzudenken, die geeignet sind, Innovationsprozesse zu fördern.
Die Begründung von Netzwerken zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen und der Wirtschaft ist ein geeignetes strategisches Mittel, um diesen Diskurs dauerhaft zu gestalten.
Im Zeitalter der wissensbasierten Ökonomie sichern derartige Netzwerke den effektiven Transfer von Wissen und Erfahrungen in beide Richtungen:
- von der Wissenschaft zum Unternehmen
- vom Unternehmen zur Wissenschaft.
Beide Seiten benötigen die Inspirationen der jeweils anderen, um erfolgreich zu sein. Dieser Diskurs zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist zunehmend auch für die „Angewandte Linguistik“ von Bedeutung.
Die Angewandte Linguistik ist heute eine Disziplin, „die sich mit der Beschreibung, Erklärung und Lösung von lebens- und gesellschaftspraktischen Problemen in den Bereichen von Sprache und Kommunikation befasst“. Dabei muss die Angewandte Linguistik auch mit anderen Disziplinen kooperieren.
Der Diskurs zwischen Wissenschaftlern und Unternehmern dürfte über den Kreis der angewandten Linguisten hinaus auch die Kommunikationswissenschaft, die Bildungswissenschaften, die Psychologie, die Soziologie oder Managementwissenschaften usw. interessieren.
Wie generell zu konstatieren ist, dass eine „atomisierende“ wissenschaftliche Betrachtung von komplexen gesellschaftlichen Prozessen nicht mehr zeitgemäß ist.